Aufbaujahre 1897 - 1918

Die "Erweiterte Fortbildungsschule für Mädchen" in Würzburg 

Nach der königlichen Genehmigung zur Errichtung der Erweiterten Fortbildungsschule für Mädchen, “welche eine gründlichere und allseitigere Ausbildung erstreben, wie sie die gewöhnliche weibliche Fortbildungsschulen mit ihrer geringen Zahl der Unterrichtsstunden und der ungleichen Beschaffenheit des Schülermaterials zu gewähren vermag”, fanden sich die ersten 46 Schülerinnen am 2. November 1897 zum Unterricht im Chemischen Hörsaal in der Maxstraße ein, der “theils Vor-, theils Nachmittags” stattfand. Insgesamt wurden 13 Unterrichtsstunden wöchentlich erteilt, wie nebenstehende Stundentafel aus dem ersten Lehrplan von 1897 verdeutlicht. Die Lerninhalte dieses Lehrplans der Erweiterten Fortbildungsschule sind methodisch an das Riemerschmid’sche Vorbild aus München angebunden, wie sie die Königliche Stadt-Schulkommission hervorhebt.

Damals wie heute: Duale Bildung in der Kritik 

Mit dem freiwilligen Besuch konnten die ersten "Wirtschaftsschülerinnen" in Würzburg “ihre in der Werktags-Volksschule erlangte Bildung ... befestigen” sowie ihre Kenntnisse um die “Bedürfnisse des praktischen (Berufs-)Lebens” erweitern.

Mit ihrer Schulwahl waren die jungen Frauen vom Besuch der gesetzlichen Sonntagsschule freigestellt. Damit erfüllt die Erweiterte Fortbildungsschule für Mädchen ein Kriterium dessen, was heutzutage als “Duales Ausbildungssystem” gerühmt und doch gleichzeitig kritisiert wird. Anlässlich der Pläne der Stadt Würzburg von 1908, die Erweiterte Fortbildungsschule um eine Kaufmännische Fortbildungsschule zu ergänzen, plädiert Herr F. Wolf vom Vorstand der Handels- und Gewerbekammer für Unterfranken und Aschaffenburg in seinem Schreiben an die Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg unter dem Datum vom 4.8.1908 für eine Ausnahmeregelung von der ansonsten äußerst strikt zu handhabenden Absenzenregelung: Es sei ja wohl klar, dass bei der jährlichen Inventur Geschäftsinteressen den schulischen Pflichten vorangingen.

Des weiteren empfiehlt er eine Adaption des Fächerkanons und Lehrplans an die veränderte Geschäftspraxis. Zum einen fordert er die Einführung eines weiteren Wahlfaches neben Stenographie und Französisch, nämlich die “Handhabung der im heutigen Geschäftsleben so weit verbreiteten Schreibmaschine” zu unterrichten, “da sich die Bedienung der letzteren besonders für weibliche Hände eignet”. Schließlich hält er es für unabdingbar, dass “der Buchführung, insbesondere der doppelten, ... Zeit zu gute kommen ... möge, während andererseits der Unterricht über die in Frage kommenden Bestimmungen des Handels- und Wechselrechts sich auf das Allernotwendigste beschränken” könne.

Doch zurück zu den Anfängen...

Wachsen und Wandern

Joseph Dahinten (1897 - 1923)

Wenn es eine Konstanz in der wechselvollen Geschichte der Schule gibt, dann ist es die Konstanz des Wechsels des Schulhauses. Mit dem stetigen Wachsen der Schülerinnenzahlen von 46 im einzügigen Anfangsjahr über 191 mit zweizügiger Oberstufe zur Jahrhundertwende bis auf 370 zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 war eine Suche nach einer steten “Heimat” verbunden. Schon im zweiten Jahr verließ die Erweiterte Fortbildungsschule den Chemischen Hörsaal, um in der Pleicher Schule angemessenere Räumlichkeiten zu finden. Mit der Fertigstellung des Südflügels der Schillerschule in der Sanderau schien schließlich im letzten Vorkriegsschuljahr eine dauerhafte Bleibe mit sechs Klassenzimmern gesichert.

Neben diesem originären Wachstum wurde der Erweiterten Fortbildungsschule im Jahr 1908 die Kaufmännische Fortbildungsschule zu- und untergeordnet. Mit Datum vom 08. Juli 1908 wendet sich der Stadtmagistrat Würzburg an die Königliche Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg mit der Bitte um Genehmigung der Errichtung einer kaufmännischen Fortbildungsschule für Mädchen durch die Stadt Würzburg. Die “neue Schule  soll”, so der Stadtschulrat Valentin Ullrich in seinem Anschreiben, “ ... am 18. September 1908 in den Räumlichkeiten der Erweiterten Fortbildungsschule für Mädchen eröffnet werden.” Der Kammer des Innern bei der Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg als zuständige Genehmigungs-Mittelbehörde wird mit gleichem Schreiben (AZ: 25225/30540) auch der Entwurf der Satzung für die neu zu errichtende Anstalt zugeleitet. §1 des Satzungsentwurf, der dann auch unverändert in die Satzung einfließt, legt fest, dass die Kaufmännische Fortbildungsschule für Mädchen als “eine an die Erweiterte Fortbildungsschule für Mädchen angegliederte, ... jedoch selbständige öffentliche Lehranstalt der Stadt Würzburg” vorgesehen ist. Oberlehrer Joseph Dahinten versah an der Erweiterten Fortbildungschule die “technische” Leitungsfunktion als Lehrerobmann, einen Schulleiter als Dienstvorgesetzten besaß die Schule bis zum Ende des Kaiserreichs nicht.

Die unterschiedlichen Gewichte von Erweiterter Fortbildungsschule für Mädchen und Kaufmännischer Fortbildungsschule für Mädchen wird auch zahlenmäßig deutlich, wenn einer Anlage zu einer Stellungnahme der Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg an die Königl. Stadtschulkommission vom 04.09.1916 zu einer eventuellen Umwandlung der Erweiterten Fortbildungsschule für Mädchen in eine Mädchenmittelschule zu entnehmen ist, dass immerhin 17.968 Mark für die Erweiterte, aber nur 3.928 Mark für die Kaufmännische Fortbildungsschule im städtischen Haushalt angesetzt sind.

Handelsschule als neuer Name angeregt

Erst der fortdauernde Aufschwung der Erweiterten Fortbildungsschule rief in Würzburg private Konkurrenz auf den Plan. Ein Gesuch von Georg Beyl zur Genehmigung der Gründung einer privaten Handelsschule aus dem Jahr 1912 veranlasst die Kgl. Stadt-Schulkommission Würzburg zu einer Stellungnahme an den Stadtmagistrat Würzburg vom 05. August 1912. Die Kommission äußert sich zurückhaltend über die Perspektive einer privaten Handelsschule für Mädchen in der Stadt. Sie führt u.a. an:

  • der Bedarf sei mit den beiden kommunalen Fortbildungsschulen bereits gedeckt, die im Unterschied zu der zu gründenden privaten Einrichtung Schulcharakter, nicht nur Fortbildungscharakter besäßen;
  • die zugkräftige Bezeichnung “Handelsschule” dürfe nicht allein der privaten Konkurrenz überlassen bleiben, wie sie Georg Beyl für seine Neugründung wünsche. Es müsse auch bestehenden Institutionen Zugang zu einer Umbenennung  möglich sein, die ihren Ausbildungsschwerpunkten entspreche.

Als negativ muss die Gegenäußerung der Regierungs-Mittelbehörde nach der dürren Aktenlage angesehen werden. Dies lässt  zumindest ein erneuter Vorstoß der Stadt Würzburg vom 04.09.1916 vermuten, indem sie der Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg anträgt, die Erweiterte Fortbildungsschule in eine “Mädchenmittelschule” umzubenennen. In einem Aktenvermerk wird dieses Ansinnen der Stadt seitens der Regierung schlicht als “nicht glücklich” bezeichnet.

Schule im Krieg

Schon zu Beginn des I. Weltkrieges musste die Erweiterte Fortbildungsschule ihre angestammten Räume zugunsten eines Reservelazaretts aufgeben. Erst mit dem 17. Mai 1920 konnte sie ihre regulären Schulsäle wieder beziehen. Dazwischen lagen behelfsmäßige Umzüge – u.a. ins Elisabethenheim, Koellikerstr. und in die Pleicher Schule, und vielfältige “Unterrichtsaussetzungen” in der kalten Jahreszeit wegen Kohlemangels in den öffentlichen Gebäuden und der Reichsbahn, die mangels Dampf nicht verkehren konnte. Die Äußerlichkeiten konnten nicht über die innere Deformation des schulischen Lebens während der Kriegs- und Nachkriegszeit hinwegtäuschen.

Wurde noch anfänglich der Schulunterricht durch Feiern anlässlich von “Waffenerfolge[n] unserer Heere, ...de[s] Friedensschlus[ses] mit Großrußland, ... verschiedentlich auch durch  Lichtbildvorträge zur Werbung für die Kriegsanleihen” aufgelockert, wurde zunehmend Ernüchterung spürbar: Schülerinnen standen Spalier bei der Durchfahrt von Lazarettzügen und trugen “zur Erbauung des unterfränkischen Krüppelheimes ... namhaft” bei. Schließlich – so der Berichterstatter- lag zu und nach Kriegsende “zu einem an der Schule nicht gewohnten Weise ... die Arbeitslust ... vielfach darnieder und erforderte scharfe Gegenmaßnahmen...”, die nach den Steckrübenwintern wenig hilreich waren. Selbst der evangeliche Religionslehrer, Stadtvikar Bürkstümmer, erlag zum Kriegsende einer Grippe mit anschließender Lungenentzündung.

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Schillerschule, Schulgebäude von 1913 - 41