Zwischen den Kriegen

Die Städtische Handelsschule

Ein neuer Name für die Schule

Als nach dem 1. Weltkrieg im Jahr 1920 das 8. Werktagsschuljahr eingeführt wurde, ist die Erweiterte Fortbildungsschule für Mädchen auf zwei Jahrgangsstufen (Unterklasse, Oberklasse) verkürzt worden. Der Ausfall eines ganzen Schuljahrgangs ermöglichte - schon um die Lehrer voll zu beschäftigen - eine Mehrung der Stundenzahl und eine Vertiefung der einzelnen Unterrichtsfächer. Tatsächlich hatte Würzburg mit dieser Schule also bereits eine zweistufige Handelsschule, die den damals in anderen Städten existierenden Handelsschulen gleichkam. Mit Beginn des Schuljahres 1922/23 wurde die Schule folgerichtig in „Städtische Handelsschule für Mädchen“ umbenannt. Interessant für den heutigen Leser sind sicher einige originale Textstellen aus dem städtischen Verwaltungsbericht der Jahre 1921-24, die treffend die damalige Bedeutung der Schule charakterisieren:

„Im ersten Berichtsjahr durfte die Schule auf ihr 25jähriges Bestehen zurückblicken, wohl Anlaß genug zu einer Gedenkfeier! Der Ernst der Zeit aber und die dunkle Zukunft des Deutschen Volkes einerseits, andererseits die Einfachheit der Anstalt als einer Schule des Volkes, die von jeher festlicher und werbender Veranstaltungen sich enthielt, rechtfertigte auch diesmal den Verzicht. Es genügt die einfache Feststellung, dass die Erweiterte Fortbildungsschule langsam, aber zielsicher zum Segen Tausender von Mädchen wirkte und anerkennenswerter Leistungen sich erfreuen konnte.“

Historisches Zeugnis

Zur Weiterentwicklung und Umbenennung in „Handelsschule“ schreibt der Berichterstatter weiter: „Mit der Umwandlung in die Städtische Handelsschule war nicht allein eine bestehende Lücke zwischen höherer Mädchenschule und Berufsfortbildungsschule ausgefüllt, sondern auch einem praktischen Bedürfnis genügt, da hier für schulpflichtige Mädchen keine passende Ausbildungsgelegenheit besteht, ganz im Gegensatz zu den Knaben. Die Nachfrage nach weiblichem Hilfspersonal wuchs täglich. Eine ganz auffallende Erscheinung beispielsweise war es, dass die 1922 zu entlassenden Mädchen fast sämtlich schon vor Ostern untergebracht werden konnten. Der Schulausbau hat endlich auch die Härten beseitigt, die aus der eigenartigen Schulentwicklung einem Teil der Bürgerschaft erwuchsen. Während Katholikinnen, die eine höhere Mädchenschule nicht besuchen können oder wollen, in klösterlichen Mädchenmittelschulen unschwer unterkommen, besteht für die übrigen Bekenntnisse eine ähnliche Gelegenheit nicht. Da die Städtische Handelsschule in der Allgemeinbildung den Mädchenmittelschulen keineswegs nachsteht, war diese Schwierigkeit leicht zu beheben, konnte also über eine Unterlassung oder Zurücksetzung nicht mehr geklagt werden.“

Die Stundentafel der Handelsschule wurde leicht abgeändert. Für die Allgemeinbildung war durch die Ausbildung in „Stil, Rechtschreiben, praktische Rechenfertigkeit und formale Geistesschulung“ gesorgt. Die fachliche Ausbildung wurde durch geringe Abänderungen ergänzt.

„Wechselkunde“ in der Unterklasse wurde durch „Handelskunde“ ersetzt, in der Oberklasse kam „Handelsgeographie mit Warenkunde“ dazu und die Stundenzahl für „Rechnen“ und „Buchführung“ wurde vermehrt. Interessant ist auch, dass „Französisch“ durch die Welthandelssprache „Englisch“ ersetzt und zum Wahlfach „herabgewürdigt“ wurde. „Maschinenschreiben“ wurde in der Oberstufe im Kurssystem mit insgesamt 24 Jahreswochenstunden nach Bedarf, d.h. nach Anmeldung eingerichtet.

Das Schuljahr 1923/24 brachte mit 145 Schülerinnen doppelt soviel Neuanmeldungen wie in den Vorjahren. Es musste eine neue Klasse eingerichtet werden und der Klassendurchschnitt stieg auf 32 Schülerinnen. Bisher wurde kein Schulgeld erhoben. Der Ausbau der Schule zur Handelsschule hatte aber zur Folge, dass die Kosten stiegen und deshalb wurde ab 1.Oktober 1923 „...von hiesigen Schülerinnen außer einer belanglosen Einschreibgebühr ein Jahresschulgeld von 24 M, von auswärtigen der doppelte Betrag erhoben - ein Satz, der immer noch um die Hälfte hinter den an staatlichen Schulen erhobenen Beträgen zurückbleibt.“

Die Leitung der Städtischen Handelsschule für Mädchen war - wie seit der Gründung im Jahre 1897 - dem inzwischen zum Handelsoberlehrer beförderten Joseph Dahinten übertragen. Dieser erkrankte allerdings Anfang Januar 1922 und musste sich einer schweren Operation unterziehen. Von dieser hat er sich leider nicht mehr erholt und erlag seiner Krankheit am 17. August 1923. Über ihn liest man in dem Verwaltungsbericht: „Dahinten ward mit der Gründung der Schule als erster Lehrer und Leiter aufgestellt und hat ihr 25 Jahre mit seltenem Eifer und größter Umsicht vorgestanden. Stets auf eine zeitgemäße Entwicklung und Ausgestaltung der Schule bedacht, hat er noch die Vorarbeiten zur Überleitung der Anstalt in eine Handelsschule erledigt, die Verwirklichung seines Lieblingswunsches aber nicht mehr erlebt.“ Als sein Nachfolger wurde Handelsoberlehrer Dr. Johann Dauber aus der Knabenfortbildungsschule ernannt, Mitte Januar 1924 übernahm er seine Dienstgeschäfte. Hauptamtliche Lehrkräfte an der Handelsschule waren damals die Handelsoberlehrerinnen Emma Dittmeyer, Babette Hofmann, Emilie Müller und Franziska Bräu, als Aushilfen wurden die Schulamtsbewerberinnen Antje Hauck und Magdalena Lamm beschäftigt.

Dr. J. Dauber (1924 - 44)

Von 1930 bis zum Ende des zweiten Weltkrieges

Einige Details der Schulgeschichte aus den 30er und 40er Jahren kann man Berichten entnehmen, die kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs über diese Zeit erstellt wurden. Sie stammen vom früheren Stadtschulrat Gustav Walle und dem Leiter der Handelsschule Dr. Dauber. Erwähnt werden muss, dass Herr Dr. Dauber zum 1. April 1934 neben der Leitung seiner Schule das Amt des Stadtschuldirektors übertragen bekam. Er löste den politisch in Ungnade gefallen Gustav Walle ab. Dr. Dauber wurde vom damaligen Oberbürgermeister
Memmel beauftragt, einen Organisationsentwurf für die beruflichen Schulen in Würzburg zu erstellen. Dieser Entwurf wurde Ende 1939 von der Stadtverwaltung angenommen und am 1. Januar 1940 verwirklicht. Der Organisationsplan wies für die Berufsausbildung folgende drei Gruppen auf: Gewerbliche Schulen (Berufsschule, Handwerker- und Meisterschule),  Kaufmännische Schulen (Zweijährige Handelsschule, Berufsschule, kaufmännische Berufsfachlehrgänge) und Hauswirtschaftliche Schulen (Berufsschule, Haushaltungsschule, Frauenfachschule).

Für die Entwicklung der damals zweijährigen Handelsschulen hatte es besondere Bedeutung, dass diese Schulart durch ein 1932 geschlossenes Länderübereinkommen berechtigt war, unter bestimmten Bedingungen das Zeugnis der „mittleren Reife“ zu erteilen. Nachdem die Würzburger „Städtische Handelsschule für Mädchen“ diese Voraussetzungen (30 Wochenstunden, Aufnahmeprüfung in Aufsatz, Rechnen, Geschichte und Erdkunde sowie Abschlussprüfung) erfüllte, wurde sie 1934 ministeriell anerkannt, und die Zeugnisse mit dem Vermerk „Mittlere Reife“ konnten ausgestellt werden.

In der Folgezeit wuchs die Zahl der Schülerinnen ständig. Wurden 1932/33 noch 163 Schülerinnen in sechs Klassen gezählt, so stieg die Zahl der Schülerinnen auf 309, die im Schuljahr 1938/39 in 8 Klassen unterrichtet wurden. Gustav Walle hebt in seinem Bericht hervor, dass die Schulabgänger in Betrieben und Behörden leicht unterkamen, da der Besuch der Handelsschule als Empfehlung galt. Offensichtlich hatte die Handelsschule auch bei der staatlichen Schulaufsicht einen guten Ruf, da ihr alljährlich die Anerkennung der Regierung ausgesprochen wurde. Vom guten Leistungsstand zeugten u.a. die vielen Preise, die sich Schülerinnen beim Wettschreiben in Kurzschrift holten. Für damalige Verhältnisse war die Schule gut ausgestattet. So verfügte sie über knapp 50 Schreibmaschinen und diverse Rechenmaschinen.  In der Maxschule wurde sogar ein „Musterkontor", ein Vorläufer der heutigen Übungsfirmen, besucht.

Stadtschulrat Walle erwähnt in seinem Bericht weiterhin, dass rund ein Drittel der Schülerinnen aus dem Umland kamen. Die letzten jüdischen Schülerinnen mussten am 1. Januar 1936 aus der Handelsschule ausscheiden, als die Aufnahme jüdischer Schülerinnen ministeriell verboten wurde. Die Kriegszeit brachte für die Würzburger Handelsschule viele Probleme und Erschwernisse mit sich. Eine positive Änderung war, dass ab 1941 auch Jungen die Schule besuchen durften.

Der Zusatz „für Mädchen“ wurde aus dem Namen gestrichen. Da damals vor allem Frauen unterrichteten, konnte der Schulbetrieb ohne Einschränkungen weitergeführt werden. In der Liste der Lehrkräfte findet man Namen, die teilweise auch nach dem Kriege noch lange Jahre an Würzburger beruflichen Schulen lehrten: Franziska Bräu (schon seit den 20er Jahren dabei), Anna Döpfert (nach ihrer Heirat Anna Wilhelm, FL für Kurzschrift und Maschinenschreiben), Luise Höltgen, Wilhelmine Rolle, Dr. Alfred Lieb, Ludwig Schöner, Franz Josef Stenger (Schulleiter ab 1949) und Leonhard Weiß.

Bis zum Kriegsende musste die Handelsschule mehrmals das Schulgebäude wechseln. Nachdem die Schillerschule aus allen Nähten platzte, fand man ab 1941 in der Kleistschule in der Münzstraße eine neue Heimat. Als dort 1944 ein Lazarett errichtet wurde, zog man in die Maxschule um, wo man Ende Januar 1945 wieder einem Lazarett weichen musste. Als Notquartier bekam man eine Schulbaracke in der Kirchbühlstraße zugewiesen.Die Sommerferien 1944 wurden am 20. August vorzeitig beendet, die Schüler wurden in der Schule versammelt und dann zum Hopfenpflücken oder zum Ernteeinsatz eingeteilt. Von den Jungen der Oberklasse wurden Schüler als Wehrmachts- oder Flakhelfer und zum Arbeitsdienst eingezogen. Auch aus den Mädchenklassen wurden Schülerinnen zum Arbeitseinsatz an den „Westwall“ abgeordnet oder vom Arbeitsamt für Büroarbeiten angefordert. Am 11.12.1944 begannen die Weihnachtsferien und als diese zu Ende waren, blieb die Schule wegen Mangel an Heizmaterial geschlossen. Wegen der Bombenangriffe stellte die Regierung von Mainfranken später den Unterricht ganz ein. Nur die Oberklasse der Handelsschule erhielt eine Ausnahmegenehmigung. In Wirklichkeit aber fand nur noch wenig Unterricht statt. Kaum hatte der Unterricht begonnen, ertönte die Luftschutzsirene und Lehrer und Schüler flüchteten in den nahe gelegenen öffentlichen Luftschutzraum. Auswärtige Schüler konnten wegen der Tieffliegerangriffe kaum mehr erscheinen. Die restlichen Schüler konnten bestenfalls noch eine Notabschlussprüfung ablegen.

In der Bombennacht vom 16. März 1945 wurde die Schulbaracke völlig zerstört. Da kein Keller vorhanden war, wurden alle Bücher, Lehrmittel und Akten ein Raub der Flammen. Damit waren auch alle Unterlagen zur Geschichte der Städtischen Handelsschule vernichtet.

Weiter mit Wiedereröffnung nach 1945

Die Josefschule nach einem Luftangriff