Wiedereröffnung nach dem zweiten Weltkrieg

Die Wiedereröffnung der Städtischen Handelsschule mit dem Schuljahr 1949/50 fand unter denkbar schlechten räumlichen Verhältnissen statt. Im ersten Jahresbericht des neuen Schulleiters Franz Josef Stenger werden die Schwierigkeiten deutlich. Fünf Klassen mit 182 Schülern und Schülerinnen begannen den Unterricht im Gebäude der damaligen Mozartschule, die 1938 im Gebäude der Englischen Fräulein in der Annastraße errichtet worden war. Die Zimmer wurden im Wechsel zwischen Vor- und Nachmittag auch von Klassen der Städtischen Mädchenmittelschule benutzt. An Samstagen mussten die Klassen der Handelsschule in Säle der Pestalozzischule ausweichen. Das war der erste Kontakt der Handelsschule mit dem Stadtteil Grombühl.

Schulleiter beim Wiederbeginn wurde der schon als Lehrer bis 1945 an der Schule tätige Handelsstudienrat Franz Josef Stenger. Er war 1933 von der kaufmännischen Berufsschule an die Städtische Handelsschule versetzt worden.Mit ihm unterrichteten 5 hauptamtliche und 4 nebenamtliche Lehrkräfte: Friedrich Arlt, Franziska Bräu, Dr. Eduard Dolata, Rudolf Lauppe,
Ludwig Schöner, Dr. Marianne Pfeifer, Wilhelmine Rolle und als Religionslehrer P. Laurentius Pfennig O.S.A. und Stadtpfarrer Christian Rieger. Ein Schuljahr später stießen dazu Erika Frank, Luise Höltgen, Ludwig Kugler, Anneliese Mohr, Erika Jäger (später verheiratete Albert) und Ernst Hengstenberg.

FJ Stenger (1949 - 51)

Was ist bemerkenswert an diesem ersten Schülerjahrgang nach dem Krieg? Da sind zunächst demokratische Einrichtungen zu entdecken. So wurde „...frei und unbeeinflußt...“ in jeder Klasse ein Klassensprecher und sein Stellvertreter und eine Elternvertretung gewählt. Schulgeld wurde mit 5,00 DM pro Monat von jedem Schüler erhoben, allerdings waren 33 Schüler ganz oder teilweise davon befreit. Für bedürftige Schüler wurde der Schule eine staatliche Ausbildungsbeihilfe von 1.650,00 DM zugeteilt, die nach einem Punktesystem an die einzelnen Schüler verteilt wurde, wobei die Leistungen und die sozialen Verhältnisse berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse der Aufnahmeprüfung - so vermerkt Herr Stenger in seinem Bericht - zeigten einen „bedauerlichen Tiefstand der Vorbildung“. Insbesondere genügten die Leistungen vieler Schüler in der deutschen Sprache und im Rechnen nicht den Anforderungen. Vor allem die Handschriften ließen sehr viel zu wünschen übrig. Auch über das Verhalten der „Nachkriegsschülergeneration“ beklagte sich der Schulleiter: „Anstandswohlverhalten ist vielen Jungen und Mädchen der Gegenwart fast unbekannte Begriffe geworden. Deshalb werden die Schüler im 1. Monat des Schuljahres mit ‘Knigge’ bekannt gemacht. Der Umgang mit Menschen sollte in allen Schulen zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden“.

Interessant ist auch die Zusammensetzung des ersten Schülerjahrgangs. Am Ende des Schuljahres besuchten noch 168 Schüler und Schülerinnen die Schule. Davon waren - 46 Knaben und 122 Mädchen, - 81 Würzburger, 16 evakuierte Würzburger und 71 auswärtige Schüler, - 144 Einheimische und 24 Heimatvertriebene. Bei 27 Schülern wurde der Vater als tot gemeldet, vermutlich im Krieg gefallen. Das Einzugsgebiet der Schule ging schon damals weit über die Grenzen Würzburgs hinaus. Es reichte von Volkach und Dettelbach im Osten über Aidhausen im Norden, Rieneck und Mittelsinn im Westen bis Ochsenfurt, Marktbreit und Uffenheim im Süden. Am Schuljahresende 1950/51 verließ mit den ersten Absolventen auch der Schulleiter Franz Josef Stenger wegen Erreichen der Altersgrenze die Schule. Nur zwei Jahre in dieser Funktion, hat er sich doch in dieser schwierigen Zeit mit der Wiedereröffnung der Schule große Verdienste erworben. Sein Nachfolger wurde Dr. Eduard Dolata. Seit 1937 war Herr Dr. Dolata in Würzburg an der kaufmännischen Berufsschule tätig, ab 1940 als deren erster Direktor nach der Trennung von der gewerblichen Berufsschule. Nach dem Krieg begann er seinen Dienst wieder an der Handelsschule.

Dr. E. Dolata (1951 - 64)

Umzug ins Grombühl

Mit der neuen Schulleitung begann für die Schule ein neuer Abschnitt. Es folgte der Umzug in den Stadtteil Grombühl in die damals schon teilweise wieder aufgebaute Josefschule. Turnhalle und zweites Geschoss waren noch nicht zu benutzen, so dass die Schulraumnot wie bisher zu Schichtunterricht zwang. Erst mit dem Schuljahr 1952/53 konnte das zweite Stockwerk wieder genutzt werden. Die Gründung einer Staatlichen Mittelschule für Knaben und ihre Unterbringung in der Josefschule machte das gute Raumangebot wieder zunichte. Auch die Leitung dieser Schule musste Herr Dr. Dolata zusätzliche übernehmen, bis die Mittelschule ab
1956/57 auszog und in die Adalbert Stifter Schule übersiedelte. Dafür wurden wieder zwei Schulsäle an die kaufmännische Berufsschule abgetreten. Der Wiederaufbau der total zerstörten Stadt ging nur langsam voran. Bis zum Beginn der 60er Jahre stieg die Schülerzahl an der Städt Handelsschule langsam aber stetig an. Im Schuljahr 1959/60 wurden 468 Schüler und Schülerinnen in 15 Klassen unterrichtet. 19 hauptamtliche und 10 nebenamtliche Lehrkräfte waren damals an der Schule tätig.

Die wieder aufgebaute Josefschule

Die Vereinheitlichung des Handelsschulwesens zu Beginn der 60er Jahre führte auch in der Städtischen Handelsschule zu Änderungen in den Stundentafeln und Lehrplänen. Eine eigene Schulordnung (SchOHa) und eine Prüfungsordnung bringt die Erweiterung der Schule auf drei Jahrgangsstufen. Schon mit dem Schuljahr 1957/58 begann die Handelsschule mit der Einrichtung dieses dreijährigen Zweiges. Die zweijährige Handelsschule wurde rasch abgebaut, denn nach einem Erlass des Kultusministerium durfte die “Mittlere Reife” nur noch nach drei Schuljahren erteilt werden. Mathematik und Naturwissenschaften (in speziellen N-Klassen) und das Wahlfach Französisch schaffen eine Erweiterung des allgemeinen Bildungsangebots und erleichterten dadurch den Wechsel begabter Absolventen auf höhere Schulen.

Die rasante Entwicklung der Wirtschaft und steigende Geburtenzahlen brachten in diesen Jahren einen verstärkten Zulauf zur Städtischen Handelsschule. Der “Schülerberg” führte zu großen Klassen mit teilweise über 40 Schülern und wieder zu großer Raumnot. Eine ständige Suche nach zusätzlichen Schulräumen prägte die 60er und 70er Jahre So war jahrelang eine Klasse in einem Nebenraum des alten Pfarrsaales der Kirchengemeinde St. Josef neben der Schule untergebracht, der notdürftig als Schulsaal eingerichtet und der nur über eine steile Treppe zu erreichen war. Sechs Schulsäle fanden sich an Samstagen in der kaufmännischen
Berufsschule in der Zentralschule. An den anderen Wochentagen war der gesamte Unterricht nur durch Schichtunterricht und “Wanderklassen” zu bewältigen.

Mit Ende des Schuljahres 1964 trat Herr Dr. Dolata in den Ruhestand. 13 Jahre hatte er mit Umsicht und Energie die Schule nach dem Kriege wieder aufgebaut. Viele ehemalige Schüler und Lehrer erinnern sich noch heute an seine zwar strenge, aber auch großzügige Art. Zu seinem Nachfolger berief der Stadtrat Herrn Eduard Rößler.

Weiter mit Ende des 20. Jahrhunderts

Eduard Rößler (1964 - 82)